Seit diesem Montag gilt wieder eine neue Stufe der TPD 2: Das System der lückenlosen Tabakwaren-Überwachung von der Produktion bis zum Handel. Zunächst sind Fertigzigaretten, Dreh- und Stopftabak betroffen, die anderen Produkte folgen 2024. Die EU nennt das Ganze Rückverfolgbarkeit bzw. Track & Trace. Jede Zigarettenschachtel und Tabakdose erhält ein zweiteiliges Sicherheitsmerkmal (so wie hier).
In
den letzten Tagen eine Packung gekauft und da noch keines gesehen?
Kein Wunder, die alten Packungen ohne diesen Aufdruck können noch
ein Jahr lang im Handel abverkauft werden. Und wurden in den letzten
Monaten massiv vorproduziert, was auch nötig war, denn EU und Bund
haben den Vorlauf für die Umstellung denkbar knapp gestaltet. Erst
letzten Monat ging die erforderliche Gesetzesänderung durch den
Bundesrat. So werden Unternehmen mittlerweile vom Staat behandelt. Zu
den Konsumenten kommen wir gleich noch…
Was
steckt hinter dem Aufdruck? Die Produktion und alle Transportschritte
bis zum Einzelhändler bzw. bis zum Zigarettenautomaten müssen
dokumentiert werden. Uhrzeitgenaue Herstellung, Einlagerung,
Aufladung auf LKW, Umladung in andere Vertriebsfahrzeuge (alles mit
Kennzeichen), Ablieferung beim Händler… Und alles muss rasch in
eine Datenbank überführt werden und dann in eine weitere der EU.
Außerdem muss jede Verkaufsstelle (Laden, Kiosk, Tankstelle, Automat
usw.) registriert sein. Diese Big Data könnten sich übrigens für
die Tabakbekämpfung als sehr nützlich erwiesen, wenn sie dereinst
mit der Lizensierung und Einschränkung von Verkaufsstellen beginnen
wird…
Die
Registrierung für den Einzelhändler übernimmt in der Regel der
Großhändler, aber für diese, die Automatenaufsteller und die
Hersteller entsteht ein Riesenaufwand: Hardware, Software,
IT-Beratung, Schulungen, ständig Arbeitsschritte eintippen und
übermitteln müssen etc. Darunter auch sensible
Geschäftsgeheimnisse. Es gibt für den Handel die Möglichkeit, von
den Herstellern Geld zurückzuerhalten. Dann müssen sie aber an
einschlägiger Stelle registriert sein und „und für jedes einzelne
Lager unter anderem genau angeben, wie viel Zigaretten und wie viel
Gramm Tabak zum Selberdrehen dort 2018 jeweils umgeschlagen wurden“,
schreibt
die Lebensmittelzeitung, „wie viel Ware kam durchschnittlich
pro Tag rein, wie viel ging raus, wie viele Lagerarbeiter waren pro
Tag mit dem Handling beschäftigt? Ist das Lager automatisiert, ja
oder nein? Die Händler sind genervt.“
Schätzungen
gehen von einem zweistelligen Millionenbeitrag aus, den die
„Track-und-Trace“-Bestimmungen alleine in Deutschland die Branche
jährlich kosten. Laut Deutschem Zigarettenverband hat die Umstellung
der letzten beiden Jahre die Industrie mit über 100 Millionen Euro
zu Buche geschlagen. (Von dem Steuergeld, das dafür bei der EU und
in Deutschland für die staatlichen Kontrollen dieser Maßnahme
verbraten wird, erst gar nicht zu reden.) Wenn sich Handel und
Industrie über die Verteilung der Kosten untereinander streiten,
ändert das aber nichts daran, dass für diese Kosten letztlich zwei
andere aufkommen müssen: der Raucher und die Raucherin. Denn von
denen holt sich die Tabakwirtschaft den Zusatzaufwand zurück.
Wie
wir auch schon sehen. Zeitlich nicht so eindeutig wie bei einer
Tabaksteuererhöhung (von
der auch wieder einige drohen), wo der Zeitpunkt der Erhöhung
sich in Preisaufschlägen widerspiegelt – oder einer geringeren
Menge an Zigaretten und Tabak für den gleichen Preis. Nicht zu einem
solchen Stichtag und nicht so transparent für Verbraucher, aber mit
dem gleichen Effekt greift die EU-Rückverfolgbarkeit den Menschen in
die Tasche. So konnte man in den vergangenen Monaten bei vielen
Marken einen Preisanstieg oder versteckte
Preiserhöhungen beobachten.
Ein
weiterer Aspekt, der vordergründig nur die Unternehmen betrifft,
sich aber letztlich negativ für die Verbraucher auswirkt, ist der
Umstand, dass solche Regulierung nicht jeden Anbieter gleich hart
trifft. Bürokratieaufwand und der künstlich erzeugte Zeitdruck sind
für große Konzerne weniger schwer zu stemmen als für die vielen
kleinen und mittleren Unternehmen der Tabakwirtschaft, die es in
Deutschland zum Glück noch gibt. Wenn der Mittelstand in die Knie
geht, schwächt das den Wettbewerb und die Produktvielfalt – zu
Lasten der Raucher.
Diese neuerliche Schikane für Raucher wird offiziell damit begründet, dass man Schmuggel und andere Formen illegalen Handels bzw. Konsum so besser unterbinden könne. Aber wie bei sonstigen gegen Raucher gerichteten Maßnahmen entpuppt sich die Begründung als durchschaubarer Vorwand. Schließlich belastet die „Track & Trace“-Bürokratie legal operierende Firmen – und nicht etwa Schmugglerbanden, Hersteller von Marken wie Jin Ling oder gar Produktfälscher. Die können weiter ihren Geschäften nachgehen. Und durch die Preiserhöhungen aufgrund der Rückverfolgbarkeit dürfte sich deren Markt eher noch vergrößern. Mal abgesehen davon, dass der Zoll anhand der aufgedruckten Sicherheitsmerkmale auf einer Verpackung vielleicht etwas erkennen mag, der Verbraucher mit den Zahlen-/Buchstabencodes und den nur maschinenlesbaren Bestandteilen aber sowieso nichts anfangen kann.
Gänzlich
absurd wird das Schmuggelargument, wenn man bedenkt, dass ab 2024 der
ganze bürokratische Aufwand auch für Zigarren, Zigarillos, Pfeifen-
und Schnupftabak gilt, die überhaupt nicht geschmuggelt werden.
Neben Fertigzigaretten gilt das nämlich nur für Shishatabak.
Wenn die EU und ihre Mitgliedsstaaten den
Schmuggel ernsthaft bekämpfen wollten, müssen sie eben von den
turmhohen Strafsteuern auf Tabakwaren weg, wie Netzwerk Rauchen es
schon lange
fordert. In Brasilien wird derzeit zumindest eine
gewisse Senkung in Erwägung gezogen. In der EU – Fehlanzeige.
Stattdessen wurde jetzt eine neue
Kostentreiber-Richtlinie beschlossen, Thema Abfälle. In den
Müll, sagt Netzwerk Rauchen stattdessen, gehören
EU-Gängelungsgesetze und Tabakbekämpfung.